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helge timmerberg liest Bandfoto

Do 26.10.2023


neues buch- neue lesung


helge timmerberg liest


Café Central Weinheim

Einlass: 19.00 UhrBeginn: 19.30 Uhr

Abendkasse: € 23,–

Karten verfügbar

helge timmerberg                Helge Timmerberg, in drei Sätzen:
Worum geht es in Ihrem Buch?
1. Andere Länder, andere Kiffer.
2. Ist Cannabis gut, ist Cannabis schlecht, oder ist
Cannabis einfach nur Cannabis, mit dem man gut
oder schlecht umgehen kann?
3. Cannabis und ich.
In der Reihenfolge?
Nein, die Themenstränge vermischen sich, so ist das
Leben. Ich reiste halt dem Cannabis hinterher: in
Länder, die es bereits legalisiert haben, in Länder, die
traditionell viel Erfahrung damit haben, in Länder,
aus denen es kommt. Weil ich a) gern reise, b) gern
kiffe und c) Fragen hatte. Wie fühlt sich legales Kiffen
eigentlich an? Ohne die Paranoia vor der Polizei, aber
auch ohne den Nimbus des Rebellen. Ist das entspan-
nender oder langweiliger? In Thailand, wo über Nacht
Marihuana so legal wie Kartoffeln wurde, fragte ich
mich, ob Bangkok bekifft noch mehr Spaß macht,
kam aber zu dem Schluss, dass ich mit Alkohol den
Sextourismus besser ertragen kann.
Ihr Buch ist also kein nüchtern argumentieren-
des Sachbuch – was ist es dann?
Ich habe schon in den frühen Achtzigerjahren damit
begonnen, Geschichten so zu schreiben, wie ich sie
auch meinen Freunden in der Küche erzählen würde.
Damals nannte man das New Journalism. Später
wurde Pop Literatur daraus, aber mir gefällt
Literary Nonfiction als Klassifizierung für
diesen Stil am besten. Er ist nie nüch-
tern, sondern immer berauscht von
den Möglichkeiten der Sprache.
Und was die Sachlichkeit
angeht: Ich habe viele Er-
fahrungen mit Cannabis.
Ich weiß, worüber ich
schreibe.
Was spricht aus Ihrer Sicht für die Cannabis-
Legalisierung?
In den USA finden mittlerweile 76 Prozent aller
Amerikaner den Cannabis-Konsum moralisch ak-
zeptabel. Bei den Liberalen stimmten 83 und bei den
Konservativen 51 Prozent dafür, also die Mehrheit in
beiden Lagern. Marihuana ist da in der Mitte der Ge-
sellschaft angekommen. In Thailand hat es die Mitte
offenbar nie verlassen. Nach der Legalisierung sollten
sich dort alle, die Cannabis selbst anbauen wollten,
bei der Gesundheitsbehörde dafür registrieren lassen.
Am ersten Tag machten das über 6 Millionen Men-
schen, und die Homepage brach zusammen.
Was ich damit sagen will: Eine Politik, die die Mitte
der Gesellschaft kriminalisiert, hat sie nicht alle. Das
funktioniert nicht. Cannabis war weltweit fast ein
Jahrhundert lang verboten, trotzdem wurde es die am
meisten konsumierte illegale Droge. Wer kiffen will,
der kifft. Verbote ändern daran nur, dass der Konsum
unübersichtlicher, unkontrollierter und ungesünder
wird, weil die Mafia keine Reinheitsgebote akzeptiert.
INTERVIEW
ICH HABE VIELE ERFAHRUNGEN MIT CANNABIS. ICH WEISS, WORÜBER ICH SCHREIBE.
33I N T E R V I E W
H E L G E T I M M E R B E RG34I N T E R V I E W
H E L G E T I M M E R B E RG
Aber noch einmal zu »Andere Länder –
andere Kiffer«. Welche Unterschiede
haben Sie gesehen?
Auf Malta, dem ersten Staat, der innerhalb der EU
die Marihuana-Prohibition beendet hat, ist Cannabis
total legal, aber man kriegt es nirgendwo. Nicht als
Tourist. Es gibt keine Shops dafür. Die maltesischen
Kiffer bauen es entweder selbst an oder holen es sich
als Medizin mit einem Rezept vom Arzt, aber auch
dafür gibt es auf ganz Malta nur zwei Apotheken.
Wenn ich sage, man kriegt als Tourist kein Cannabis,
dann meine ich natürlich, man kriegt es nicht legal,
sondern nur traditionell: Ein Taxifahrer schloss für
mich die Lücke in der Handelskette. Alles Weitere
war gesetzestreu. Ich durfte es durch die Straßen tra-
gen, ich durfte es auf dem Hotelbalkon rauchen, ich
durfte es offen im Zimmer liegen lassen. Wunderbar!
Und, ach ja, man sieht auch nicht viel von der Legali-
sierung. Keine Werbung. Man will keinen Kiffer-Tou-
rismus und keinen Cannabis-Kommerz. Das krasse
Gegenteil davon ist Kalifornien. Plakatwände im
Lastwagenformat preisen über dem Sunset Boulevard
Cannabis an, und statt des Cowboys im Sonnenunter-
gang steht da ein Gitarrenmann im Regenbogenland.
Shops gibt’s an jeder Ecke, und sie bieten Cannabis in
allen nur denkbaren Erscheinungsformen an: rauch-
bar, trinkbar, essbar, es gibt THC-Truthahnsoßen, es
gibt Cannabis-Hundefutter, für jeden Geschmack ist
was dabei. Und ich warne in diesem Zusammenhang
vor den Müsliriegeln, die nach dem Verzehr wie ein
mit THC beladener Sattelschlepper durchs Gehirn
rasen. Die sind in Thailand übrigens verboten, dafür
haben die Thais mit der Legalisierung sofort alle aus
dem Gefängnis entlassen, die dort wegen Marihua-
na-Delikten saßen. In den USA sitzen sie da immer
noch, während drumherum die Cannabisindustrie
mittlerweile über 30 Milliarden Dollar pro Jahr er-
wirtschaftet. Es gibt eine Menge Unterschiede bei der
Cannabis-Legalisierung. Die Welt ist halt bunt.
DIE LEUTE SAGEN, CANNABIS IST RAUSCHGIFT, ABER ALKOHOL IST ALKOHOL.
Und was spricht dagegen?
Gegen die Legalisierung von Cannabis spricht gar
nichts, gegen den Konsum gibt’s hier und da schon
was einzuwenden. Ich kenne die Droge zu gut, um sie
zu verherrlichen. Ich kenne die Kiffer-Paranoia, ich
kenne die Abhängigkeit, ich kenne den Krümel zu
viel, der dich zum Esel macht, wie den korrekten Krü-
mel, der die Kreativität entfacht – und ich schreibe
darüber, ich lass da nichts aus. Glücklicherweise habe
ich keine Mission. Ich mache mich nur auf: Schaut
her, so ist das Kifferleben. Und das ist der persönliche
Strang in dem Buch.Wieso regen sich bei uns viele Leute eigent-
lich über die Cannabis-Legalisierung auf,
finden es aber völlig normal, regelmäßig
Alkohol zu trinken?
Gehirnwäsche. Fast hundert Jahre lang. Die Leute
sagen, Cannabis ist Rauschgift, aber Alkohol ist Al-
kohol. Sie reden von Weinkultur und Drogensumpf,
auf Hochzeiten wird getrunken, in der Hölle wird ge-
kifft, solche Sachen spuken in den Köpfen der armen
Gehirngewaschenen.
Einige Leute sagen auch, dass Cannabis eine
Einstiegsdroge ist.
Die Einstiegsdroge für Kokain ist Alkohol, die Ein-
stiegsdroge für Heroin ist die übergroße Sehnsucht
nach Geborgenheit, die Einstiegsdroge für die extrem
süchtig machenden Opioide und Benzos der Pharma-
industrie ist der Onkel Doktor, der mir mal gegen
die Schmerzen bei einem Bandscheibenvorfall ein
im Prinzip wie Opium wirkendes Medikament mit
den Worten verschrieb: »Eine Pille davon am Abend,
dazu ein Glas Rotwein und Bob Dylan, und du bist
im Himmel.« Die psychosomatischen Wirkungen
von THC können eigentlich nur der Einstieg zu den
psychedelischen Drogen sein: LSD, Psilocybin-Pilze,
Meskalin. Aber davon wird man nicht süchtig. Sie
sind zu stark für eine Gewohnheitsdroge.
Wollten Sie schon mal das Kiffen aufgeben?
Wer wollte das nicht? Aber ich habe dann immer das
Kiffen durch das Trinken ersetzt, und das gefiel mir
überhaupt nicht. Außerdem ist Cannabis eine leichte
Droge, die schwer zu entziehen ist. Es dauert sechs
Wochen, bis die Gehirnzellen vom THC wieder
völlig freigewaschen sind. Und diese Zeit, das steht
fest, ist vielleicht nicht die Hölle, aber ziemlich nervig.
Trotzdem mach ich manchmal einen Monat Pause,
um dem Cannabis zu zeigen, wer der Herr im Haus ist.
Auf den Reisen für dieses Buch kiffte ich recherche-
bedingt fleißig, aber als ich nach Hause kam, hörte
ich einen Monat komplett damit auf. Steht auch in
diesem Buch. Wie ich schon sagte: Es steht eigentlich
alles drin, was man über Cannabis wissen muss

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