Ohne Übertreibung lässt sich sagen, dass Toxoplasma auch heute noch eine der einflussreichsten
deutschen Punkbands aus den 80ern ist. Mit ihrem eigenständig rohen Sound und kompromisslosen Texten
haben sie die deutschsprachige Szene nachhaltig beeinflusst.
„Klingen wie“ fällt bei ihnen schwer, weil sie die Band sind, die oft zum Vergleich herangezogen wird.
Mit ihrem letzten Release „Köter“ verblüfften TOXOPLASMA nicht nur die Kritiker, sondern zeigen auch
zurzeit live – im 41. Jahr ihres Bestehens – in keinster Weise Ermüdungserscheinungen.
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Die Messlatte liegt hoch, die Erwartungen sind riesig. Vor dreißig Jahren ging das Debütalbum der Band an den Start
und erreichte Kultstatus und heute nicht mehr erreichbare Verkaufszahlen. Mit Bands wie SLIME und HASS bildeten die
Neuwieder die Speerspitze des deutschen Politpunks der Achtziger Jahre.
Viele Songs der Band haben bis heute nichts an Aktualität und Bedeutung eingebüßt und sind immer noch Klassiker.
Wie behält man seine Relevanz, stellt alte Fans zufrieden, vermeidet als Band aber trotzdem einen kreativen Stillstand?
Das letzte Album liegt inzwischen auch fast zwanzig Jahre zurück, so dass man bei „Köter“ durchaus von einem
Comeback-Album sprechen kann.
Und so ein Comeback kann auch gehörig in die Hose gehen, schnell ist der Kredit verspielt, und ehemalige Helden
werden zu traurigen Gestalten und erbärmlichen Karikaturen ihrer besten Tage.
Kein Wunder, dass sich die Band viel Zeit mit dem neuen Album genommen hat. Die neuen Songs wurden sogar
zweimal eingespielt, bis die Band richtig zufrieden war. Aber das Warten hat sich gelohnt.
Hier ist eine Band am Start, die weiß, was sie tut, und die immer noch mit Spaß bei der Sache ist. Keine selbstverliebten
Nostalgieverwerter, die in der Vergangenheit schwelgen und sich in der Pflicht sehen, einen weiteren Soundtrack zur
Straßenschlacht und dumpfe Parolen für die Lederjacken der Dosenbierfraktion abzuliefern.
Andererseits aber auch keine selbstgefälligen Rechthaber, die Mainstream-kompatible, altersmilde Gesellschaftskritik
für das Stadionpublikum absondern. TOXOPLASMA haben sich musikalisch weiterentwickelt und sind sich zugleich treu
geblieben.
Keine altersbedingten Abnutzungserscheinungen, die neuen Songs sind frisch und hart, zugleich aber auch eingängig
und abwechslungsreich. Mitgrölkompatibel, ohne dass es peinlich wird oder auf Bierzeltniveau absinkt.
Und das alles mit der notwendigen Aggressivität, Härte und Energie, dabei aber nie plump oder einfallslos. Hier sind
authentische, glaubhafte Überzeugungstäter am Werk, die zwar immer noch keine Pulitzer-Preis-verdächtigen Texte
schreiben, aber nach wie vor relevante politische Botschaften transportieren.
Ihre Abneigung gegen Uniformen und den damit verbundenen Kadavergehorsam pflegen sie noch immer. Neben
Soldaten sind aber auch angepasste, konsumgeile jugendliche CDU-Wähler mit gepflegtem Ordnungssinn und Zugriff
auf den väterlichen Waffenschrank zu Recht Zielscheibe der Band.
Erschreckend ist, wie hochaktuell der größte Hit des Albums, „Kontrollautomat“, inzwischen geworden ist. „Wo ich bin
oder was ich tu, ganz egal du schaust mir zu, hörst mein Wort an jedem Ort, denn du bist schon dort.
Wer schützt uns vor denen, die uns schützen?“ Die NSA lässt schön grüßen. Ein Album mit zwölf Songs, die viele alte
Fans der Band begeistern werden und helfen, neue Anhänger gewinnen, und sich live mit den alten Hits mit Sicherheit
hervorragend verstehen werden.
Auch nach über dreißig Jahren kommt man trotz einiger Konkurrenz im Genre deutschen Politpunks nicht an
TOXOPLASMA vorbei. Und das ist gut so.
Axel M. Gundlach
© by Ox-Fanzine / Ausgabe #111 (Dezember 2013/Januar 2014″